Bundesarbeitsgericht räumt mit Median-Logik bei Equal Pay auf

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November 5, 2025
05.11.2025
2 Minuten Lesezeit

Höchstrichter erleichtern Entgeltdiskriminierungs-Klagen drastisch – einzelne Vergleichsperson mit höherem Gehalt reicht aus, Arbeitgeber müssen objektive Gründe nachweisen.

Einzelvergleich ersetzt statistische Betrachtung

Mit Urteil vom 23. Oktober 2025 (8 AZR 300/24) hat das BAG den Nachweis geschlechtsbedingter Entgeltbenachteiligung radikal vereinfacht: Wer eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts mit gleichwertiger Tätigkeit und höherem Gehalt benennen kann, löst automatisch die Diskriminierungsvermutung aus. Bisherige Anforderungen wie statistische Wahrscheinlichkeiten, Gruppengrößen oder Medianwerte wurden eliminiert. Ausgangspunkt war eine Daimler-Trucks-Abteilungsleiterin, die nach Elternzeit feststellte, dass männliche Kollegen in vergleichbarer Position deutlich mehr verdienen. Mit Daten aus einem internen Transparenz-Dashboard und einem konkret benannten besser bezahlten Kollegen klagte sie auf Angleichung. Das LAG Stuttgart gewährte zwar 130.000 Euro für vier Jahre, richtete die Höhe aber am Median männlicher Abteilungsleiter aus – nicht am tatsächlichen Gehalt des Vergleichskollegen.

BAG kassiert Median-Ansatz vollständig

Das Bundesarbeitsgericht verwirft diesen Kompromiss: Sobald die Vermutung greift, schuldet der Arbeitgeber bei fehlender Widerlegung das volle Gehalt der Vergleichsperson – nicht einen statistischen Mittelwert. Die Darlegungs- und Beweislast für objektive, geschlechtsneutrale Rechtfertigungsgründe liegt vollständig beim Arbeitgeber. Der Fall geht zurück ans LAG Stuttgart: Daimler Trucks kann nun konkrete Gründe für die Gehaltsdifferenz nachliefern, die Klägerin ihren Vortrag zu aktienbasierten Vergütungsbestandteilen ergänzen. Die Vorsitzende Richterin stellte klar: Auch intransparente Entgeltsysteme schließen eine Widerlegung nicht aus – erschweren sie aber erheblich.

Paradigmenwechsel für HR-Praxis

Arbeitnehmer benötigen künftig nur noch eine einzige besser bezahlte Vergleichsperson für erfolgreiche Klagen. Arbeitgeber müssen substantiiert darlegen, warum objektive – nicht geschlechtsbezogene – Faktoren die Differenz rechtfertigen. Fehlende Entgelttransparenz wird zum erheblichen Risikofaktor. Die anstehende nationale Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie dürfte diese Entwicklung weiter verschärfen.