Eine BGH-Rechtsprechung verschärft die Haftungsmaßstäbe für Professional Services bei Bewertungen zur Überschuldung. Bereits informelle Äußerungen können zu Schadenersatzforderungen führen.
Anne und Cornelius Nickert beschreiben ein verbreitetes Szenario: Eine GmbH weist 80.000 Euro Überschuldung auf, während ein Gesellschafterdarlehen von 100.000 Euro existiert. Steuerberater empfehlen häufig Rangrücktrittserklärungen zur Sanierung der Bilanz und Fortsetzung der Geschäftstätigkeit. Problematisch wird es, wenn Berater fälschlicherweise annehmen, Gesellschafterforderungen seien automatisch nachrangig. Diese Fehleinschätzung ignoriert die BGH-Rechtsprechung und kann erhebliche Haftungskonsequenzen auslösen.
Der Bundesgerichtshof entschied am 6. Juni 2013 über einen Steuerberater, der ausschließlich mit Bilanzerstellung beauftragt war. Seine Aussage, keine insolvenzrechtliche Überschuldung zu erkennen, verzögerte den notwendigen Insolvenzantrag und verschlechterte die Vermögenslage erheblich. Das Gericht etablierte klare Haftungsgrundsätze: Wer über den ursprünglichen Auftrag hinaus Insolvenzreife bewertet, trägt Verantwortung für entstehende Schäden. Die Schadenberechnung erfolgt durch Vermögensvergleich zwischen hypothetisch rechtzeitiger und tatsächlicher Antragstellung.
Unternehmen und deren Geschäftsführung tragen eigenständige Prüfungspflichten bezüglich Insolvenzreife. Ausschließliches Vertrauen auf Berateraussagen konstituiert Mitverschulden und reduziert entsprechende Schadenersatzforderungen.
Ein weiterer BGH-Beschluss vom 6. Februar 2014 verschärfte die Anforderungen zusätzlich. Steuerberater, die Insolvenzthemen ansprechen ohne abschließende Bewertung, müssen explizit auf erforderliche Spezialaufträge hinweisen. Bereits Formulierungen wie "rein bilanzielle Überschuldung" können haftungsbegründend wirken, da sie insolvenzrechtliche Überschuldung implizit ausschließen.
Die Rechtsprechung erfordert strikte Trennung zwischen steuerlicher Bilanzierung und insolvenzrechtlicher Bewertung. Überschuldungsstatus müssen zu Liquidationswerten unter Aufdeckung stiller Reserven und Lasten erstellt werden. Rangrücktrittserklärungen sollten nur nach sorgfältiger insolvenzrechtlicher Prüfung empfohlen werden, idealerweise auf Basis separater, dokumentierter Beratungsaufträge.
Professional Services sollten informelle Äußerungen zur Insolvenzreife kategorisch vermeiden. Spezialisierte Insolvenzberatung erfordert schriftliche Auftragsvereinbarungen, nachvollziehbare Dokumentation und Integration der Allgemeinen Auftragsbedingungen.