Der Pharmaverpackungshersteller weist Vorwürfe zurück, doch ohne umstrittene Umsätze wäre die bereits gesenkte Prognose 2024 womöglich erneut verfehlt worden.
Die Bafin prüft, ob Gerresheimer im Geschäftsjahr 2024 Umsätze zu früh bilanziert hat. Im Fokus stehen Bill-and-Hold-Vereinbarungen – Konstrukte, bei denen Verkäufer Produkte in Rechnung stellen, diese aber erst später ausliefern. Bilanzexperte Oliver Köster vermutet internen Hinweisgeber: „Man findet zu den ‚Bill-and-Hold'-Vereinbarungen im Geschäftsbericht keinerlei Hinweise. Wie soll die Bafin sonst auf eine anlassbezogene Prüfung kommen, wenn nicht durch Hinweise durch einen Whistleblower?" IFRS 15 setzt strenge Kriterien: Produktkontrolle muss auf Kunden übergehen – trotz ausbleibender Lieferung. Laut Bafin erfüllte Gerresheimer diese Voraussetzungen nicht. „‚Bill-and-Hold'-Vereinbarungen können leicht zur Bilanzmanipulation genutzt werden", erklärt Köster.
CFO Wolf Lehmann bezifferte die umstrittenen Umsätze: weniger als 2 Prozent des Gesamtumsatzes, also unter 40,7 Millionen Euro bei 2,036 Milliarden Euro Gesamtumsatz 2024. Jedoch wuchs Gerresheimer nur um 2,9 Prozent (rund 45 Millionen Euro). Das Adjusted Ebitda stieg von 404,5 auf 419,4 Millionen Euro – plus knapp 15 Millionen Euro. Ohne Bill-and-Hold-Umsätze wäre die bereits am 30. September 2024 gesenkte Prognose womöglich erneut verfehlt worden.
Gerresheimer betont periodengerechte Bilanzierung. Bill-and-Hold-Vereinbarungen seien üblich. Interne Überprüfungen ergaben keine Hinweise auf Fehlverhalten. Gerresheimer beantragte Akteneinsicht, die nicht gewährt wurde. KPMG prüfte 2024 erstmals und erteilte am 25. Februar 2025 uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Köster: „Der Betrag dürfte knapp unter der quantitativen Wesentlichkeitsgrenze liegen." Offen bleibt, ob KPMG Prüfungsstrategie an Gerresheimers veränderte Lage anpasste. „Die Apas-Untersuchung wird genau diesen Punkt beleuchten." Die Prognose 2025 musste zum dritten Mal nach unten angepasst werden. Der organische Umsatz sank in den ersten drei Quartalen um 1,8 Prozent, das Adjusted Ebitda ging um 7,5 Prozent zurück.